Yoga und Angst


Stellungnahme zum Artikel "Der Guru" erschienen in der Ausgabe Nr.88 der Süddeutschen Zeitung vom 13./14. April 2019

28. April 2019

Stellungnahme zu dem Artikel „Der Guru“ der Ausgabe Nr.88 vder Süddeutschen Zeitung vom 13./14. April 2019

 

Was ist Angst? Wie lebt sie in der Welt?

Wie geht man um mit Angst? Und wann ist Angst berechtigt – diese Fragen stellen sich auch bei der Lektüre des Artikels „Der Guru“, der bereits auf der Titelseite mit „Angst und Yoga“ angekündigt ist.

 

In Zeiten, in denen es kaum eine Pause gibt, bevor nicht neue Meldungen über von religiösem Fanatismus motivierte Ausschreitungen uns erreichen und beim Brand von Notre Dame der erste Gedanke Richtung Terrorakt geht, sollten Informationen unbedingt das Licht darstellen, das Sachverhalte objektiv erhellt und Orientierung bietet. Nur auf der Grundlage klarer, geordneter und vor allem richtiger Gedanken ist eine natürliche, freie und interessierte Beziehungsaufnahme zur Welt und zu den Mitmenschen, aber auch zu Vorstellungen und Idealen, wie wir das Leben eigenständig bestmöglich und in sozialem Sinne gestalten wollen, möglich.

 

Angst ist das beunruhigende Gefühl, einer drohenden oder vermeintlichen Gefahr ausgesetzt zu sein. Sie ist also im besten Fall ein Warnzeichen, das uns aufmerksam werden lässt und an unseren Mut appelliert, in der Regel, in besonderem Maße aber, wenn sie auf Suggestionen beruht, ruft sie jedoch das undurchsichtige und in Bezug auf das Selbstwertgefühl destruktive Gefühl der Ohnmacht hervor. Sie beeinträchtigt in erheblichem Maß unser Sein in der Welt, denn bildhaft gesprochen ist sie wie das Erlöschen des Lichtes, sodass man unsicher und auf sich selbst zurückgeworfen im dunklen unbekannten Raume steht und hofft, dass nichts passiert – oder dass das Licht angeht und man sich wieder orientieren kann. Eventuell hat man auch den Mut sich selbst vorzutasten, um einen Überblick zu erlangen. Tendenziell führt Angst jedoch zu einem Gefühl der Isolation und Entfremdung, das das seelische Bedürfnis nach natürlicher Beziehungsaufnahme zur Außenwelt verletzt.

 

Man kann daher verstehen, dass es dem Menschen generell wichtig ist, im Bilde zu sein und sich umfassend informiert zu fühlen, um am Weltgeschehen teilzuhaben, aber es muss gerade deswegen auch der Anspruch einer wirklichkeitsgetreuen Darstellung erhoben werden, damit man sich im eigentlichen Sinne informiert fühlen kann.

 

Man kann auch den Journalisten eines gewissen Genres Verständnis entgegenbringen, sich bei aller Undurchsichtigkeit und der trotz weitläufiger Recherchen offensichtlich schwer nachvollziehbaren Sachlage gedrängt zu fühlen, diese brisante Story in den Druck zu bringen.

Das Verständnis muss jedoch an eine Grenze kommen, wenn statt Sachlichkeit und Korrektheit haltlose „Ergebnisse“ präsentiert werden, die auf reinen Mutmaßungen und zusammenhanglosen Zitaten, Hinweisen und Aussagen beruhen und die unverkennbare Absicht haben, ohne Kenntnisnahme und entsprechende Darstellung der wirklichen Umstände zu kriminalisieren.

 

Diese Art der suggestiven Vorgehensweise macht einen unbefangenen Blick auf das Dargestellte kaum möglich und behindert eine eigenständige Meinungsbildung ganz erheblich, denn selbst wenn man die atemlose Sprunghaftigkeit hinterfragen möchte, findet man nur schwer einen Ansatz.
Man wird als Leser nicht nur sehr schmerzlich berührt, sondern letztlich unfrei.

 

Hier wird ein dramatischer Familienkonflikt in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Autor und Yogalehrer Heinz Grill gesetzt. Der unbefangene Leser kann dabei nicht wissen kann, dass der zwar als „mutmaßlich“, aber eben immerhin als Mord bezeichnete Tatbestand im noch laufenden Verfahren als Totschlag gilt. Das ergibt eine völlig gegenteilige Motivlage, bietet die Möglichkeit, den gesamten Artikel zu beleuchten.

 

Nicht nur diese erste absolut unsachgemäße Verkehrung ins Gegenteil der Umstände liegt vor, sondern man bemerkt, dass in jedem Abschnitt, ja fast in jedem Satz Unwahrheiten gesetzt werden und ins exakte Gegenteil gewendet werden müssten und umgekehrt eben gerade das Ehepaar Bornschein darstellen (Lichtnahrung, Erleuchtung, Hörigkeit, Versprechungen, um nur einige zu nennen, gehören weder inhaltlich noch methodisch zur Arbeitssweise Heinz Grills und müssen jedoch genau umgeke hrt der Bornscheinfamilie zugeordnet werden), will man das eigene Bewusstsein aufrichten und schematisch die konstruierten Zusammenhänge entwirren. Hier einige wenige Beispiele:

 

1) Es gibt eine Person, der fälschlicherweise der Titel gewidmet ist, denn weder wird seine Arbeit noch seine Person dargestellt:  Heinz Grill taucht in dem Artikel nicht auf und das, obwohl sein Name zig mal genannt wird.

 

2) Der Familienkonflikt, der, wenn man als Autor schon von Ungeklärtheiten ausgeht, am naheliegendsten in Zusammenhang Geschehens gesehen werden müsste, wird zwar erwähnt, aber derart bagatellisiert, dass er tatsächlich in den Hintergrund tritt und die Projektionsfläche auf Heinz Grill freigibt.

 

3) Statt Verstrickungen der Familie zu beleuchten, werden Fäden gesponnen zwischen Menschen, die Heinz Grill kennen, angeblich mit ihm arbeiten oder seine Kurse besuchen. Es wird von Anhängerschaft gesprochen und dementsprechend dann auch von Aussteigern, womit der Ton der Sektenanschuldigungen angeschlagen ist, der nicht nur haltlos und irreführend, sondern auch ablenkend ist.

 

4) Es werden, in der Logik des Textes, noch Gerichtsverfahren angeführt, die zwar in Zusammenhang mit Christine Bornschein stehen, die als ideologischen Kampf um Glaubensfreiheit zu bezeichnen jedoch faktisch falsch ist und letzlich insgesamt unlogisch, denn um Glaubensfreiheit muss man im demokratischen Deutschland an sich weder mit dem Staat, geschweige denn mit anderen Parteien in Zivilverfahren „kämpfen“ (und wenn doch, dann wäre dies Stoff genug für einen eigenen Artikel). Es geht in den Verfahren, wie der Artikel, sich selbst nicht nur hier widersprechend, an späterer Stelle darstellt, um Klagen der Schweigepflichtsverletzung und wissentlichen Fehlbehandlung gegen die Ärztin, die durch den Konjunktiv zu bagatellisieren an Geschmacklosigkeit nur noch durch folgendes zu übertreffen ist.

 

5) Am Ende wird dann das nichts anders als tragisch zu bezeichnende Ableben der Person Klaus O.s während seiner mehr als dreijährigen Untersuchungshaft als mutwillige Behinderung des Prozesses dargestellt, die zu einer nunmehr dreimonatigen Verzögerung geführt habe – das ist nicht nur pietätlos, sondern bringt noch einmal die Inkongruenz des gesamten Artikels zum Ausdruck (man stelle nur einmal 3 Monate 3 Jahren gegenüber und frage sich, wo hier die Verzögerung liegt).

 

Und trotz aller Haltlosigkeit ist dieser Artikel Besorgnis erregend gerade aufgrund der suggestiven Wirkmacht, die durch die Emotionalität des ersten Eindruckes und auch aufgrund des orientierungslosen und beständig sprunghaften Hin und Her noch gesteigert wird, denn die erzeugte Angst entbehrt jeder Grundlage, wird von der Seele des Menschen jedoch aufgenommen und sorgt für eine wenn auch unbewusste so doch tiefe Verunsicherung.

 

In einer Zeit, in der wir unser inneres Leben unablässig und ungefragt mit Ängsten vor etwaigen Gefahren beschäftigt sehen, muss es gerade Anliegen des Journalisten sein, die unnötigerweise geschürten und subtil suggestiv gesetzten zu unterlassen, denn sie okkupieren in ihrer beunruhigenden Emotionalität jene Kräfte des Menschen, die er für die freie, unbefangene und interessierte Beziehungsaufnahme zur Welt und den Mitmenschen und ganz allgemein zu gesunder Einschätzung und eigenständiger Urteilsbildung, sowie des weiteren zu selbstbestimmter Lebensweise braucht.

 

Geordnete, schlüssige, nachvollziehbare und richtige Gedankenführungen stärken das Bewusstsein des Menschen und ermöglichen die unbefangene und eigenständige Auseinandersetzung. Man kann auf sie zugehen und mit ihnen umgehen. Verzerrungen durch Unwahrheiten hingegen behindern dies durch die emotionale Unruhe und die Bindung, die durch die Verunsicherung entsteht. Man zieht sich zwar innerlich zurück, was damit aber geschaffen wird, ist die eigentliche Abhängigkeit durch die seelische Verschiebung, die sie hervorrufen, vor allem, wenn sie unbemerkt bleiben, da wir diese Disproportionalität, wie Heinz Grill den Zustand der durch Suggestionen gesetzten seelischen Disharmonie bezeichnet, nur noch schwer erkennen können.

 

Sowohl Heinz Grill als auch Rudolf Steiner, den man als Begründer der erwähnten Anthroposophie benennen muss, betonen in ihrem umfassenden schriftlichen Werk und ihrem Hochachtung gebührenden Streben, der Menschheit einen soliden, sozialfähigen und individuell persönlichen Zugang zu Spiritualität zu ermöglichen,  gerade die Bedeutung der logischen Nachvollziehbarkeit und Bewusstseinklarheit als Grundlage für jede unabhängige persönliche und seelisch-geistige Entwicklung. Dem heute so gut nachvollziehbaren innersten seelischen Bedürfnis nach freier und individueller Entwicklung und dem damit verbundenen Willen zu eigenständiger und schöpferischer Aktivität, muss das Ideal des freien Menschen zugrunde gelegt werden, der sich in seiner Individualität eigenständig und unbeeinflusst gründen will, der ein Bedürfnis nach Spiritualität hat, sich aber gerade deswegen auch als Teil der Welt erleben will. Spiritualität, wie sie im geisteswissenschaftlichen Sinne von Heinz Grill verstanden und entwickelt wird, weist dem Menschen die fundierte und solide Möglichkeit der individuellen Bewusstseins- und Empfindungsstärkung auf und leistet dahingehend einen wesentlichen und dringends notwendigen kulturellen Entwicklungsbeitrag jenseits der Weltanschauungsfragen und Gruppenzugehörigkeit.

 

Mit einem kurzen Auszug aus dem Buch „Ein neuer Yogawille und seine therapeutsiche Anwendung bei Ängsten und Depressionen“ von Heinz Grill möchte ich enden. In dem Kapitel „Nicht Nachahmung, sondern bewusste Erkenntnisforschung zu ausgeprochenen Wahrheiten“ auf Seite 210 beschreibt er:

 

„ Erkenntnisse auf dem Schulungsweg geschehen weiterhin, und man kann es nicht oft genug betonen, auf keinen Fall durch eine mediale Empfändlichkeit und auch nicht durch ein besonderes Durchlässigwerden im Sinne der Entwicklung einer überdurchschnittlichen Sensibilität. Damit das Leben eine stabile Grundlage erhält, muss auf alle medialen Durchgaben verzichtet werden, die eine Herabminderung des Ich-Zentrums und der inneren Schöpferkräfte voraussetzen. Eine wirkliche Erkenntnisbildung geschieht nicht durch eine passiv gewählte Hingabe, sondern durch eine aktive Formung des Lebens und durch die mutige Hinwendung an die Wahrheiten, wie sie im Leben und durch die Aussage verschiedener vortrefflicher Personen existieren. Für die Erkenntnisbildung ist deshalb nicht eine Versenkung nach innen in das leibliche Bewusstsein anzuraten, sondern ein bewusstes, geordnetes und zielstrebiges Hinwenden an bisher gesprochene Wahrheiten, die mit Konzentration und eigener Denktätigkeit erfasst werden und sich schließlich in authentischer Weise individualisieren.“